üstra Hannover

Kontrolle über 590 PS?
LeSSI – Lerneinheit Stadtbahn Simulation und Interaktion

Petra Coddington Fotografenmeisterin Das Wort „Fahrsimulator“ ist das Unwort der Verkehrsbetriebe. Jeder Verkehrsbetrieb, der selber Fahrende ausbildet, hätte gern einen, kann ihn sich aber nicht unbedingt leisten. Der ehemalige Betriebsleiter der üstra sagte sinngemäß: „für das Geld würd ich lieber eine Stadtbahn kaufen“. Der Anschaffungspreis liegt in Millionenhöhe. Dennoch wäre ein Fahrsimulator doch so sinnvoll. Die Fahranfänger tragen immerhin die Verantwortung für ihre Fahrgäste und für sich, nicht zu vergessen die 590 PS die sie kontrollieren müssen. Mit diesen Ängsten und Unsicherheiten wäre ein Lernen im geschützten Rahmen doch wünschenswert. Geht aber nicht. Zu teuer.Petra Coddington Fotografenmeisterin

Der Zufall kam der üstra zu Hilfe. Beim Basteln im FabLab (offene Azubiwerkstatt für alle Mitarbeitenden, siehe Prima Beitrag 2014) mit einem Arduino. Das ist eine kleine Steuereinheit aus der Bastlerszene. Ein Mitarbeiter der Ausbildungswerkstatt fand heraus, wie ein elektrisches Signal zu einem USB-Tastaturbefehl umgewandelt werden kann. Damit löste er das Kernproblem eines Simulators. Der Mitarbeiter berichtete seinen Kolleginnen und Kollegen der Ausbildungswerkstatt davon. Die brachten gleich weitere Ideen ein. Wie passend, denn die IdeenExpo in Hannover stand kurz vor der Tür. Jetzt musste nur noch Geld für die Weiterentwicklung beantragt werden. Aber wieviel? Millionen werden es nicht sein, da waren sie sich sicher. Der kaufmännische Leiter gab den Tüftlern den Tipp, sich bei der BVG umzusehen, die hätten schon ähnliches. Gesagt, getan. Von dort kam der entscheidende Hinweis, das Wort „Simulator“ nicht mehr zu verwenden. Aufgrund seines Preises eben zum Unwort der Verkehrsbetriebe mutiert. Ab sofort wurde weiter an einer „Lerneinheit“ gebastelt.

Weil die Tüftler aus der Lehrwerkstatt kamen, wollten sie natürlich die technischen Azubis mit einbeziehen. So wurde das extern anstehende Seminar „Projektmanagement“ für die technischen Azubis kurzerhand in ein praktisches Seminar intern umgewandelt. Ihr Projekt bekam den Namen „LeSSI“. Mit den Azubis bekam das Projekt eine Eigendynamik. Denn auch sie brachten viele Ideen und Denkanstöße mit.
Den benötigten Fahrerstand durften die Azubis aus einer durch Unfall beschädigten Stadtbahn zusammenbauen. Sie kümmerten sich eigenständig um Lackierung, Schalter, Bedienelemente etc.
Das Spiel TrainSim lieferte mit seinem „AddOn“ die Stadtbahnstrecke. Beamer, Leinwand und ein handelsüblicher Computer mussten noch beschafft werden. Dank einer dualen Studentin, die zu der Zeit bei der üstra arbeitete, entstand ein Kontakt zur Leibniz Hochschule Hannover. Aus Begeisterung am Projekt, entstand mit der Hochschule und der üstra eine Kooperation. Vereinbart wurde, dass die Hochschule die benötigte Software TrainSim anpassen würde.Petra Coddington Fotografenmeisterin

Pünktlich zur IdeenExpo war LeSSI fertig und der Star der Messe. Kinder, Jugendliche, Erwachsene standen geduldig Schlange, bis auch sie einmal „fahren“ durften.

LeSSI hat sich inzwischen in der Fahrerausbildung bei der üstra etabliert. Das Streckennetz wird durch die simulierte Ausbildung entlastet, dementsprechend weniger Fahrzeuge werden benötigt. Zudem können unerwartete Situationen abgebildet werden, die auf Strecke nur schwer zu vermitteln sind. Im Bereich Einstellungen von Fahranwärtern ist LeSSI eine weitere Hilfe. Die üstra hofft, so die Zahl der Abbrechenden in der Fahrerausbildung senken zu können. Übertragbar ist LeSSI zudem. Die Lerneinheit ist im Bereich des Möglichen, das Unwort „Simulator“ verliert seinen Schrecken…